Hörerlebnisse bei Alex Giese zum 50. Jubiläum

Matthias Böde zu Gast bei Alex Giese

Zu unserem großen Jubiläumsfest Mitte September anlässlich unseres 50-jährigen Bestehens konnten wir Matthias Böde von der HiFi-Zeitschrift STEREO für Vorträge und kleine Workshops gewinnen, die über den Tag verteilt stattfanden und jeweils kaum mehr als 30 Minuten beanspruchten. So konnten die Besucher sich die für sie besonders interessanten Themen herauspicken und ansonsten etwa mit den zahlreich anwesenden Firmenvertretern fachsimpeln und diskutieren. Die Kurz-Workshops liefen über eine wahre Superanlage: Edle Burmester-Komponenten bespielten Rhaidos übermannsgroße TD-4.8 mit extrem harten, steifen Tantalum-Diamant-Membranen für sage und schreibe 150.000 Euro das Paar, die ihrem Anspruch vollauf gerecht wurden.

Der STEREO-Redakteur startete mit Demonstrationen zur umstrittenen Dynamikkompression, wie sie insbesondere bei Pop-Aufnahmen eingesetzt wird, um das klangliche Ergebnis möglichst laut und auffällig zu gestalten, was dem auf differenziertes Hören ausgerichteten Audiophilen allerdings leicht den Spaß verderben kann. Der STEREO-Mann brachte Beispiele für an Schattierungen und Nuancen reiche unkomprimierte Musik, zeigte aber auch dynamisch weitgehend „glattgebügelte“ Stücke und führte weiterhin aus, dass Kompression für sich nicht von Übel, sondern geradezu notwendig ist, um natürliche Schallereignisse in fürs heimische Hören via HiFi geeignete Formate zu überführen. Im Gepäck hatte er zwei unterschiedliche Versionen von Tom Pettys ehemaligem „Mudcrutch“-Projekt, das in zwei hinsichtlich der Dynamikkompression unterschiedlichen Versionen erschien. Während die normale Ausführung „DR 8“ auswies, brachte man parallel eine mit „DR 12“ weniger stark komprimierte heraus. „DR“ steht für „Dynamic Range“ und bezeichnet den Abstand der mittleren Lautstärke zum lautesten Ton. Bei „DR 12“ ist der Abstand größer, die Aufnahme also „dynamischer“. Logischerweise tönte die „DR 8“-Fassung lauter, weil sie im Durchschnitt mehr Pegel bietet (siehe Diagramm) und zugleich bei erfolgtem Lautstärkeabgleich etwas fülliger und energetisch „dichter“, was typisch für eine stärkere Kompression ist. Während „DR 12“ duftiger, zarter und schattierungsreicher erschien, kam der Titel „Shady Grove“ in „DR 8“ druckvoller rüber, wobei eine klare Bevorzugung schwer fiel. Geschmackssache! Fazit: Dynamikkompression ist kein Teufelszeug, sondern ein Gestaltungsmittel beim Musik-Mastering. Es kommt hier vielmehr auf die Art und die Dosis an.

Wer noch keinen Kontakt zur neuen hifidelen Hochbitwelt hatte, konnte anschließend identische Musikstücke in unterschiedlichen Auflösungen hören. Von bestem MP3 (320 kBit/sec) über CD-Standard (16 Bit/44,1 kHz) bis hin zu extrem aufgelösten Formaten wie 24 Bit 192 kHz reichte die Bandbreite. So kam etwa „Imagine“ in der Version von Nils Landgren mit elegisch verhallender Gitarre und reichlich akustischer „Atmosphäre“ bereits in MP3 angenehm rüber. Doch was fehlte, zeigte sich sofort, als Böde bei vollkommen identischer Lautstärke zum CD-Version wechselte: Die Gitarre schwang subjektiv länger nach, das Instrument wie der Sänger waren in einen erweiterten Raum eingebettet, den MP3 offenbar als überflüssig erachtet und weggerechnet hatte. Doch in voller Pracht erstrahlte der Titel erst in der Hochbitfassung, die dem originalen Aufnahmeformat entsprach. Weitere Versuche bestätigten: Hochbit-HiFi ist kein Marketing-Gag, sondern ein Verfahren, der Wiedergabe ein gesteigertes Maß an Natürlichkeit und Authentizität zu verleihen.

Als nächstes führte Matthias Böde die STEREO Hörtest-CD-VII im Vergleich zur identisch klingenden Hörtest-LP vor. Dafür stand Technics’ neuer, ultimativer Plattenspieler SL-1000R bereit, dem der Redakteur Transrotors Top-Abtaster Figaro in ein sehr resonanzarmes Carbon-Headshell von Oyaide geschraubt hatte. Als Phono-Kabel diente das hochklassige Suprema des Leverkusener Spezialisten HMS. Nacheinander reproduzierten wir so von beiden Medien etwa „Wake Me Up Before You GoGo“ in der auf Bass und Stimme reduzierten Version von Le Bang Bang, Antonio Forciones hochdynamisches „Attempo“ oder das luftig-duftige gestrickte Chorstück „Mitt Hjerte Alltid Vanker“, das die Zuhörer bezauberte und das sich eben sowohl auf der Hörtest-LP wie der Hörtest-CD VII des engagierten HiFi-Magazins findet. Tatsächlich liefen beide Medien praktisch auf Augenhöhe, fiel Vinyl weder hinsichtlich der Detailtreue noch bei der Weiträumigkeit ab. Ein ebenso offenkundiger wie versöhnlicher Ausgang für die zahlreichen Analogfans im Raum.

Dazwischen erklangen immer wieder mal Titel vom neuen STEREO Phono-Festival Vol. – eine pure Herzensangelegenheit von Matthias Böde, der diese weltweit einmaligen Compilationen zusammenstellt, aufnimmt und ausführliche Hintergrundtexte im umfangreichen Booklet verfasst. Und doch keine Werbeveranstaltung, sondern zugleich die Möglichkeit für die Besucher, 16 Plattenspieler „virtuell“ per CD/SACD oder 24/192-Hochbit-File über unsere schöne Vorführanlage zu hören. Angesichts musikalischer Highlights aus der audiophilen Historie wie Radka Toneffs zart gewebtem „The Moon Is A Harsh Mistress“ aus dem Jahr 1982, dem Gänsehaut erzeugenden „The Coyote“ von Jack Hardy (1986) oder Amanda McBrooms im selben Jahr erschienenen „When Hearts Collide“ freuten sich erfahrene Besucher über ein Wiederhören, zumals der Klang exzellent war, denn bei den Aufnahmen kamen neben den perfekt eingestellten Plattenspielern jeglicher Preisbereiche nur Top-Equipment zum Einsatz. So spielte etwa ein SME Model 15 einen Track von Anne Bissons aktueller und doch längst vergriffener Super-Direktschnitt-LP „Four Seasons In Jazz“. Da kam richtig Freude auf.

Zum Schluss gab’s noch die Vorführung zweier einmaliger Tonträger, darunter eine „Crystal“-CD aus purem Glas, die nicht flattert oder sonstige klangschädliche Effekte zeigte. Von dieser sang Saint Mic sein „Sound Of Silence“ sogar noch schöner als von der ohnehin höchstwertig gefertigten, Bit-identischen „Ultra High Quality CD“ (UHQCD). Das war das i-Tüpfelchen auf dem ebenso kurzweiligen wie intensiven Workshop-Tag bei Alex Giese und seinem Team.

Text: Matthias Böde, Bilder: Reinhard Jäger